Da ist sie nun, die erste gerichtliche Entscheidung [1] zum Rechtsanspruch [2] auf Betreuung ein- und zweijähriger Kinder in Krippen (Kindertageseinrichtungen oder Kindertagespflege).
Das Verwaltungsgericht Köln hat die Stadt Köln in zwei Eilentscheidungen dazu verpflichtet, Eltern ab dem 1. August 2013 einen Betreuungsplatz für ihre Kinder in einer wohnortnahen Kindertageseinrichtung zur Verfügung zu stellen.
Der Spiegel nennt das ein Kita-Debakel [3], Eltern und Elternvertreter haben das befürchtet , der Städte- und Gemeindebund und diesem folgend die Kommunen sahen das gelassen [5], hiess es doch beispielsweise noch im Dezember 2012 in den internen Mitteilungen des Städte- und Gemeindebunds NRW [6] ‚Städte und Gemeinden in NRW werden dafür sorgen, dass für jedes Kind zwischen einem und drei Jahren, das einen Betreuungsplatz benötigt, ab August 2013 ein solcher zur Verfügung steht. „Wir werden kein einziges Kind zurücklassen“, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes NRW, Dr. Bernd Jürgen Schneider.“‚
Bund, Länder und Kommunen hatten sich 2007 darauf geeinigt, dass im Jahr 2013 jedes Kind mit Vollendung des ersten Lebensjahres einen Rechtsanspruch auf Förderung in einer Einrichtung oder in der Kindertagespflege haben wird. (Gleichzeitig wurde verabredet, dass bei Nichtbeanspruchung eines Betreuungsplatzes Betreuungsgeld gezahlt werden soll.)
Bund, Länder und Kommunen hatten sechs Jahre Zeit, das Gesetz umszusetzen und die Voraussetzungen für die Erfüllung des Rechtsanspruches zu schaffen.
Diese Aufgabe war, wie sich spätestens jetzt zeigt, eine zu große Herausforderung. Die große Koalition im Bund mit CDU/CSU und SPD, die CDU-, SPD- und CSU-geführten Länder und die Kommunen haben die Aufgabe unterschätzt und sich überschätzt.
Der voraussehbare Wandel der elterlichen Einstellung zu Betreuung ihrer Kinder außerhalb der eigenen Famile, der zu einer stärkeren Nutzung der U3-Betreuung führte als damals angenommen, wurde von den Fachleuten in den Regierungs- und Verwaltungsgremien bestenfalls nicht vorausgesehen. Oder wurde er wissentlich ignoriert?
Vor sechs Jahren waren die Kinder, die ab August einen Rechtsanspruch auf U3-Betreuung haben, noch nicht einmal geboren.
Mit dem gut funktionierenden Meldewesen in Deutschland und geringem Aufwand an initiativer Elternbefragung wäre die Entwicklung nicht nur absehbar, sondern planbar gewesen.
Bund, Länder und Kommunen haben sich aber aufgrund der nicht durchgehend eindeutigen Verantwortungsstruktur des Gesetzes jahrelang aus einer soliden Vorbereitung der Umsetzung des Rechtsanspruchs verabschiedet und sich nicht ihren Verantwortungen gestellt.
Diese ‚Vogel-Strauß-Politk‘, viele Scheingefechte und folgenlose Absichtserklärungen führten zur aktuellen Situation.
Eltern sind verunsichert und in ihrer Lebensplanung eingeschränkt, Kommunen sind verängstigt und klammern sich an Rechtsgutachten, die beispielsweise vom Städte- und Gemeindebund beauftragt wurden. Diese Rechtsgutachten wiegten die Kommunen in einer scheinbaren Sicherheit und – sollte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln Bestand haben und Beispielwirkung für andere Entscheidungen – waren das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt wurden.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln ist zu begrüßen.
- Sie bestätigt das gesunde Rechtsempfinden der Bürger, hier insbesondere der Eltern
- Sie hält den Verantwortlichen den Spiegel vor und zeigt deutlich deren Versäumnisse
- Sie entlarvt die vielen irreführenden Aussagen und Bekundungen rund um den Rechtsanspruch auf U3-Betreuung
Wieder einmal muß die Gesetzgebung und -Auslegung der aktuell verantwortlichen Regierung gerichtlich korrigiert werden.
Mehrere Beispiele für die Notwendigkeit von Gesetzeskorrekturen hat zuletzt das Bundesverfassungsgericht geliefert.
Mir stellt sich die Frage, ob es sich bei all den mangelhaften Gesetzen unserer letzten Regierungen nur um handwerkliche Fehler handelt – was schlimm genug wäre – oder ob sich die Regierungshandelnden so weit vom Volk entfernt haben, dass sie schlicht nicht mehr in der Lage sind, Gesetze zu machen, die zu ihrem Souverän, den Bürgern, passen.
Die Eltern von über 2 Millionen Kindern mit Rechtsanspruch auf Betreuung (U3 und Ü3) haben am 22. September 2013 die Möglichkeit, dieses Regierungshandeln zu benoten.
Piraten in Landesparlamenten haben in der Vergangenheit vielfach auf drohende Mißstände hingewiesen, hier ein Auszug aus NRW nur im Jahr 2013.
Der Autor Manfred Schramm ist Gründungsmitglied des Landeselternbeirats für Kindertageseinrichtungen in NRW und Mitglied des Kreisverbands Wesel, Arbeitskreises Bildungspolitik NRW und der Arbeitsgemeinschaft Familie der Piratenpartei Deutschland.
[1] Eilentscheidungen U3-Rechtsanspruch des Verwaltungsgerichts Köln
[2] U3-Betreuung-Rechtsanspruch (§ 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII)
[3] Spiegel-Artikel: Deutschland stolpert ins Kita-Debakel
[4] ZDF-„heute.de“-Interview: „Wir bekommen es hin“
[5] Kommentar zu Gutachten des Städtetags und Städte- und Gemeindebunds
[6] Mitteilung Verband intern des Städte- und Gemeindebund