Deutschland im Jahr 2013 – nie hatten soviele Menschen in unserem Land einen Zweitjob.
Laut Bundesagentur für Arbeit hat fast jeder zehnte Bürger in Deutschland neben seiner beruflichen Haupttätigkeit einen Minijob als zweiten Job.
Interpretationen dieses Zustandes, die besagen, dass diese Zweitjobber das aus finanzieller Notwendigkeit heraus machen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können, kontert eine Sprecherin des Arbeitsministeriums, Frau von der Leyens Haus, mit der Aussage, dass neben finanziellen Engpässen auch die Konsumlust der Menschen mit mehreren Jobs ein Grund sei.
Liebe nicht genannte Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums: Sie liegen mit Ihrer Aussage sicher richtig. Es wird bei den ca. 2.660.000 Menschen, die neben ihrer regulären Arbeit zusätzlich einem Minijob nachgehen, einige – vermutlich tausende – Menschen geben, die das tun, um sich etwas leisten zu können, was nicht zu den elementaren Grundbedürfnissen zählt.
Die allermeisten Menschen, die über ihren Hauptberuf hinaus arbeiten gehen, tuen das jedoch, weil sie mit dem ersten Einkommen nicht hinkommen.
Die Mutter, die abends noch zwei Stunden ‚woanders‘ arbeiten geht, damit ihre Familie die Miete bezahlen kann, der Vater, der am Wochenende in der Tanke kassiert, damit die Kinder ordentlich gekleidet in die Schule gehen können und ohne fremde Hilfe am Klassenausflug teil nehmen können. Die Witwe, die ihre Wohnung auch im Winter warm haben möchte und dafür zwei Mal die Woche putzen geht. Der Student, der neben seinem Studium Hunde gegen Bezahlung ausführt, weil sein Bafög nicht für Miete, Essen und Lehrmittel reicht. …
Konsum-Lust. Wenn ich darüber nachdenke, was Geldverdienen neben dem Hauptjob ist, fallen mir nicht als erstes die Leute aus dem Bericht der Arbeitsagentur ein.
Mir fallen zuerst Abgeordnete ein, die neben ihren Diäten und Zulagen Einnahmen für Nebentätigkeiten generieren, die vermutlich jenseits der Vorstellungen der Minijobber sind.
Machen diese Abgeordneten das aus Konsum-Lust? (bei den vielfach genannten Zahlen zu Abgeordneten-Nebeneinkünften wären – im Sinne der Aussage der Sprecherin des Ministeriums – wohl die Begriffe Konsum-Wut oder Gier passender.)
Die Binnennachfrage ist zuletzt in unserem Land gerade im selben Maß gestiegen wie die Inflationsrate.
Eine gewachsene ‚Konsum-Lust‘ lässt sich daran nicht ablesen.
Der Absatz von Neuwagen ist in unserem Land – und nicht nur hier – dramatisch eingebrochen.
Eine gewachsene ‚Konsum-Lust‘ lässt sich daran nicht ablesen.
UN-Experten fordern Deutschland in Ihrem Bericht auf, mehr für die Binnennachfrage zu tun.
Eine gewachsene ‚Konsum-Lust‘ konstatiert diese UN-Forderung nicht.
Liebe Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums, es mag sein, dass Sie ihre persönlichen Erfahrungen und das Verhalten Ihres Umfelds überbewertet haben und deshalb zu Ihrer Aussage gekommen sind.
Seien Sie so nett, und nehmen Sie Ihre Aussage, die vielen Menschen nicht gerecht wird, in der pauschalen Form zurück und erkennen die Nöte vieler arbeitender Menschen in unserem Land an.
Meine Achtung bekämen Sie so zurück.
Bildquelle: ‚Konsumlust‘ © adel / pixelio.de