Spätestens seit den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu beispielsweise der Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften und der Vorratsdatenspeicherung , die indirekt als Rüge für den Gesetzgeber und die politisch Handelnden zu verstehen sind, nimmt die Diskussion über die Regierungsparteien wieder Fahrt auf.
CDU- CSU und SPD bekommen regelmäßig vom Wähler zwischen 20 und über 40 Prozent der Stimmen. Unglaublich viele Stimmen, die sie in erster Linie deshalb erhalten, weil die Wähler ihnen einen Auftrag erteilen wollen: nämlich dieses Land in einer Weise zu regieren, die einer Demokratie mit politischem und gesellschaftlichem Diskurs gerecht wird. Natürlich müssen sie auch faktenbasierte Entscheidungen treffen, aber deswegen sind sie nicht privilegiert.
In den letzten Wochen traten Verhaltensweisen ans Licht, die zeigen, wie weit sich die großen Parteien von dieser Aufgabe entfernt haben:
Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel behauptete im Wahlkampf immer und immer wieder, Deutschland gehe es gut und begründete das mit wirtschaftlichen Eckdaten. Zahlen und Werte, die vornehmlich die Ökonomen und Shareholder interessieren. Die inhaltliche Vernachlässigung der Lebenssituationen der meisten Bürger, das fehlende Bewusstsein für die nicht kapitalisierbaren Wohlstandselemente wie Freiheit, Solidarität, Werte und Teilhabe der Menschen in diesem Land, ist vermutlich tief in ihrem Denken verankert und ist eine Bankrotterklärung für eine Kanzlerin, die sich als Kanzlerin eines Volkes verstehen sollte.
In der gleichen Zeit stellte Kanzleramtsminister Pofalla die NSA-Ausspähung Deutscher als ‚vom Tisch‘ dar. Im Kontext zur Frage, ob die NSA Deutsche überwacht, behauptet er, das geschehe nicht. Die NSA habe das gesagt. Obwohl er es hat besser wissen müssen, wenn er nicht die Aussagen der NSA in unsäglicher Uninformiertheit und Naivität geglaubt hat. Es ging nur darum, über die Zeit zu kommen und den Wahlerfolg nicht zu gefährden.
Die Regierungshandelnden kommen immer weniger ihrem eigentlichen Auftrag des seriösen Regierens nach. Es stellt sich zunehmend die Frage, inwieweit das System der repräsentativen Demokratie noch gerechtfertigt ist.
Wählerstimmen sollte es nicht für die gefühlt hundertste Unwahrheit geben, nicht für Politiker, die im Wahlkampf pro Gleichstellung reden, im Bundestag aber dagegen stimmen und nicht für Minister, die sich grün anmalen, die Energiewende aber hintertreiben.
CDU-CSU und SPD merken gar nicht, dass sie an dem Ast sägen, auf dem sie komfortabel sitzen. Dabei wächst ihre Verantwortung stetig angesichts der Stimmenverteilung bei den Wahlen.
Wenn immer mehr Politiker Sprechblasen servieren, wenn das wahrhaftige Handeln zum Wohl des Volkes dramatisch schwindet, wenn immer mehr Entscheidungen parteistrategisch fallen und der Wille der Wähler missachtet wird, so dass kaum noch Übereinstimmung zwischen politischer Führung und Bevölkerung bleibt, dann wird der Auftrag der so genannten kleinen Parteien umso wichtiger.
Die kleinen Parteien müssen diese Lücke füllen – mit Nähe zum Bürger, mit ehrlicher Information, mit beteiligenden Projekten, mit vielen zusätzlichen Aktionen für aufklärende Politik. Auch für „politische Affären”, nicht nur zu „geschönten“ Armutsberichten.
Die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt zurecht in Sachen Rückgang der Wahlbeteiligung vom unzufriedenen Nichtwähler, der eigentlich politisch interessiert ist. Politiker sollten in ihren Reden nicht nur sagen, was die Leute hören wollen, sondern auch, “was sie wissen sollten”. Das ist die Verantwortung der Politik, die immer mehr verloren geht.
Die Entscheidungsfindung muss verteilt werden, von den sogenannten politischen Eliten hin zu den teilhabenden Bürgern. Und dafür müssen Abstimmungen in unterbesetzten Plenen aufhören und muss Bürgerbeteiligung gestärkt werden.
Wenn dies nicht passiert, dann wird die repräsentative Demokratie mit Recht immer mehr infrage gestellt werden. Der wirkliche Sinn dieser Demokratie ist doch, dass die Abgeordneten ihrem Gewissen und dem Wähler verpflichtet sind und gerade nicht auf ihr Standing in ihrer Partei schielen sollen.