Da verliert ein amtierender Bundesfinanzminister die Contenance (nicht zum ersten Mal) oder strapaziert das Kalkül und nennt eine Partei eine Schande für Deutschland, schon muss sich – so mein Eindruck – Hans-Olaf Henkel als Besitzer der Erkenntis produzieren und diesen Fauxpas (aus Henkels Sicht) scharf rügen und damit Wolfgang Schäuble in pseudo-aufklärerischem Tonfall in den Senkel stellen.
Herr Henkel beginnt mit seiner Erklärung des Begriffes der Schande und äussert dabei, der Befriff der Schande sei in unserem Land lange Zeit außer Gebrauch gewesen.
Ich möchte nun nicht meine Wahrnehmung des allgemeinen Sprachgebrauchs anführen, um dieser Aussage zu widersprechen. Aber alleine die annähernd kontinuierliche Verwendung des Wortes Schande in Film- und Buchtiteln [1,2] oder Zitaten [3,4] in den letzten Jahrzehnten belegt, dass Herr Henkel sich entweder in einer anderen Lebenswirklichkeit befindet oder dass er wider besseres Wissen oder mangels Prüfung einen Aufhänger für seine Anwürfe gesucht und gefunden hat.
Dass Herr Henkel selbst (laut SZ [5]) in seinem Buch „Die Abwracker“ in 2010 eine „Hall of Shame“, also eine „Halle der Schande“ forderte, spielt für ihn vier Jahre später vielleicht keine Rolle mehr.
Er argumentiert dabei mit einen Satz wie „Von Schande wurde früher gesprochen, wenn … ein Mensch der falschen Rasse angehörte.“ ohne sich vom Inhalt dieser Aussage zu distanzieren; das lässt Interpretationsspielraum bezüglich der Absichten zu, die Herr Henkel mit seinem Text verfolgt.
Zurecht schreibt Henkel allerdings auch, dass „jede Art von Verunglimpfung, Verleumdung und übler Nachrede immer auch jenen trifft, der sich ihrer bedient.„.
Wenn er danach jedoch sich selbst als Garanten der demokratischen Wohlverfasstheit seiner Partei darstellt („Er bezichtigt die AfD der Ausländer- und Minderheitenfeindlichkeit, rückt sie in die Nähe des Rechtsextremismus und des billigen Populismus. Weder mit unseren bisher veröffentlichen Programmen noch mit unserem „Grundgesetz“, den politischen Leitlinien der AfD, lässt sich so ein Vorwurf begründen. Verstoßen Mitglieder dagegen, fliegen sie aus der Partei. Wäre es anders, hätte ich die Partei längst wieder verlassen.„), mag das der Beruhigung der Mitglieder und Sympathisanten dieser Partei dienen und seiner Eitelkeit gerecht werden.
Ein belastbares Argument gegen die von Schäuble geäusserten Anwürfe wie „Ausländer- und Minderheitenfeindlichkeit„, „Rechtsextremismus und billiger Populismus“ stellt dieses Weil ich es sage ist es so! nicht dar.
Schäubles Anwürfe und Henkels Entgegnung sind ein Spiegelgefecht zweier alter Haudegen, die sich selber jahrzehntelang erfolgreich konditioniert und produziert haben, die aber in meinen Augen weder die Kraft noch den Willen noch die gedankliche Freiheit haben, unser Land und damit die Gesellschaft in eine gute Zukunft zu führen.
[1] Schande 1968 http://de.wikipedia.org/wiki/Schande_%281968%29
[2] Schande 1999 http://de.wikipedia.org/wiki/Schande_%281999%29
[3] Fallen ist weder gefährlich noch eine Schande. Liegenbleiben ist beides. (Konrad Adenauer)
[4] Armut ist keine Schande – Reichtum auch nicht. (Curt Goetze)
[5] http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/hans-olaf-henkel-neues-buch-schwarze-schafe-machen-alles-kaputt-1.139938