Das Kommunalwahlgesetz NRW gibt vor, dass ein Rat oder ein Kreistag bis zur 45. Woche nach der letzten Kommunalwahl über die gesetzlich mögliche Verkleinerung des Rats bzw. des Kreistags beschliessen muss (KWahlG §3.2), also bis spätestens Februar 2018.
Run
Hierüber informierte am 27. November 2017 der Städte- und Gemeindebund NRW seine Mitglieder und löste damit einen Run aus, als gäbe es kein morgen mehr.
Da viele Vertretungen im kommenden Jahr erst wieder im März tagen, kamen und kommen in mehreren Kreisen und Kommunen noch in diesem Jahr Anträge zur Verkleinerung der Räte bzw. Kreistage auf die Tagesordnung.
Die Anträge kommen – interessant – nicht nur von den Verwaltungen, denen man dabei eine gewisse Sorgfaltspflicht unterstellen könnte, sondern auch von Fraktionen.
Die NRW-FDP hat beispielsweise – so wird berichtet – ihre Mitglieder über den Fristablauf informiert und sie (indirekt?) aufgefordert, tätig zu werden.
Möglichkeit der Verkleinerung
Das Gesetz sieht die Möglichkeit zur Verkleinerung ausdrücklich vor. Hintergrund dieser Regelung mögen 1998 die klammen Kassen und die immer weiter schwindende Bereitschaft der Bürger, sich ehrenamtlich in Rat oder Kreistag zu engagieren, gewesen sein.
Dieses Mal steht diese Frage aber vor dem Hintergrund der gescheiterten 2,5%-Hürde, die SPD, CDU und GRÜNE im letzten NRW-Landtag in die Verfassung schrieben und die im November vom Landesverfassungsgericht NRW gekippt wurde.
Kleine raus – koste es was es wolle
SPD, CDU und GRÜNE wollten die 2,5%-Hürde, um den Einzug in kommunale Vertretungen für die kleinen Parteien und Wählergemeinschaften zu erschweren und liessen namhafte Politikwissenschaftler Gutachten verfassen, die darstellen sollten, wie ach so schwer doch das kommunale Ehrenamt in den Räten und Kreistagen geworden sei, seit es zu mehr Vielfalt durch die Wahl auch von kleinen Parteien und Wählergemeinschaften gekommen ist. Es wurden vereinzelte sehr lange Sitzungsdauern herangezogen, um darzulegen, dass die politische Vielfalt die Arbeit in den kommunalen Vertretungen erschweren oder gar verunmöglichen würde. Diese wenigen beispielhaft skizzierten Sitzungsdauern mussten dann für eine pauschale ‚Behinderung von Räten und Kreistagen‘ herhalten, um die 2,5%-Hürde zu argumentieren, koste es was es wolle.
Schließlich galt es, die kleinen politischen Kräfte ‚draussen zu halten‘.
Das Landesverfassungsgericht NRW hat schließlich den Sperrklausel-Parteien SPD, CDU und GRÜNE in seiner Urteilsbegründung ein denkbar schlechtes Zeugnis mit dem Testat schlechter inhaltlicher und handwerklicher Arbeit ausgestellt.
Wer jetzt noch irgendwie die ‚Kleinen‘ draußen halten möchte, greift zum Mittel der Verkleinerung der kommunalen Vertretungen und bewirkt so eine faktische Sperrklausel. Je nach Größe der Vertretungen kann es dazu führen, dass Parteien bzw. Gemeinschaften bis zu 5% der Wählerstimmen brauchen, um ein Mandat zu erringen.
Kosten
Dabei gibt es neben dem Wunsch der Sperrklausel-Parteien, unter sich zu bleiben und ihre Politik ohne störende Ideen anderer durchzusetzen, durchaus Faktoren, die bei der Größe von kommunalen Vertretungen eine Rolle spielen können.
So ‚kostet‘ natürlich jedes Mandat Geld. Sei es die Aufwandsentschädigung, die sächliche Ausstattung oder die Bereitstellung von Unterlagen in Papierform oder digital.
Ein fünfstelliger Euro-Betrag lässt sich jährlich durch eine Verkleinerung des Rates bzw. des Kreistages erzielen.
Wie sich eine Verkleinerung auf Sitzungsdauer und Meinungsfindung auswirkt, ist – siehe Kritik des Landesverfassungsgerichts – nicht hinreichend belegt bzw. geklärt.
Außer dem Argument der Kostenersparnis ist kein weiterer belastbarer Grund für eine Verkleinerung gegeben.
Gleichwertigkeit der Wählerstimme
Jedoch wird der Aspekt der Gleichwertigkeit der Wählerstimme bei den Überlegungen weitgehend außer Acht gelassen.
Verkleinert man beispielsweise einen Rat um 2, 4, 6, 8 oder 10 Mitglieder, so verkleinert sich Zahl der Wahlkreise um 1, 2, 3, 4 oder 5. Die Wahlkreise müssen neu zugeschnitten werden. In Kreisen werden die Wahlkreisgrenzen sinnvoll an Gemeindegrenzen orientiert, Wahlkreise über Gemeindegrenzen hinweg werden dabei möglichst vermieden. In Städten und Gemeinden werden die Wahlkreisgrenzen an Stadtteilen bzw. Gemeindeteilen orientiert. Beim Zuschnitt der Wahlkreise sollte auf eine möglichst gleiche Verteilung der Wählerstimmen hingarbeitet werden, damit die direkt gewählten Wahlkreiskandidaten ähnlich viele Wähler repräsentieren.
Es gilt also bei einer Veränderung der Größe eines Rates oder eines Kreises möglichst darauf hinzuarbeiten, die Wählerzahl der Wahlkreise homogen zu gestalten.
Homogenität der Stimmenzahl herzustellen wird in der Regel schwieriger, je weniger Wahlkreise berücksichtigt werden können.
Bei Überlegungen zur Verkleinerung gilt es nach meiner Überzeugung, streng auf gleichwertige Repräsentativität der Wahlkreise – also möglichst gleiche Wählerstimmen-Zahlen über alle Wahlkreise hinweg – zu achten, damit eine gerechte und ausgeglichene demokratische Vertretung aller Wählerinnen und Wähler gewährleistet ist.
Nun ist das nichts Neues und nichts, was erst jetzt wichtig geworden wäre. Da viele Rats- und Kreistagsgrößen aber genau aus dem Grunde der gleichwertigen Repräsentativität eben die Größe haben, die sie jetzt haben, darf davon ausgegangen werden, dass Veränderungen der Größe zu Verschlechterungen der Stimmengleichheit führen wird.
Schaden für die Demokratie
Eine Verschlechterung der Stimmwertgleichheit – die Stimme im Ortsteil A ist weniger ‚wert‘ als die Stimme im Ortsteil B – stellt einen Schaden für die Demokratie und eine Beschädigung der kommunalen Vertretungen dar.